Wem gehört das Wasser?
Sauberes Wasser ist unser wichtigstes Nahrungsmittel und ein essenzieller Rohstoff in Industrie und Landwirtschaft – und kann reich machen. Denn der Handel mit Wasser ist höchst lukrativ geworden. Durch den zunehmenden, weltweiten Wassermangel gewinnt die Frage nach den Wasserversorgern – ob privat, kommunal oder staatlich – immer mehr an Bedeutung.
Beim Händewaschen, in der Küche oder auf der Toilette: In Deutschland sowie in den meisten westlichen Industrienationen sprudelt überall sauberes Wasser aus der Leitung. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen unterliegt Wasser kaum Bedarfsschwankungen. Die Topverbraucher sind Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalte. Durch die stetig wachsende Weltbevölkerung hat sich der weltweite Wasserverbrauch in den letzten 100 Jahren versechsfacht, allein in den vergangenen vierzig Jahren hat er sich jährlich um etwa ein Prozent erhöht. Um die Infrastruktur weiter auszubauen, sind oft hohe Investitionen der Kommunen notwendig – denen fehlen häufig die notwendigen, finanziellen Mittel. In vielen Ländern sind alte oder marode Leitungsnetze und nitratbelastetes Grundwasser immer häufiger dafür verantwortlich, dass das Wasser für den täglichen Gebrauch in anderen Ländern nicht mehr sauber genug ist.
Die Wasserinfrastruktur ist häufig auf umfassende Modernisierungen angewiesen – für Städte und Kommunen eine enorme finanzielle Belastung. Für einen sukzessiven Ausbau des Trinkwassernetzes müssen Rohrleitungssysteme und Wasserspeicher geplant, gebaut, kontinuierlich gewartet und modernisiert werden. Den öffentlichen Stellen kostet das enorme Summen. Um dieses Dilemma einigermaßen in den Griff zu bekommen, wurde die Wasserversorgung in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts in Europa privatisiert, weniger in Deutschland. Für die Kommunen eine willkommene Finanzspritze – besonders in Zeiten knapper Haushaltskassen. Private Konzerne sollen wirtschaftlicher arbeiten als staatliche Monopole und bessere Qualität sowie deutliche Einsparungen für die leeren Stadtkassen bringen, so das Versprechen. Die Realität: Die Städte haben keinerlei Kontrolle mehr über Wasserqualität und den Wasserpreis, Bürger zahlen nach der Privatisierung der Wasserbetriebe häufig das Vielfache: In Berlin stieg der Wasserpreis um 30 %, in Frankreich um 200 % und in Portugal sogar um 400 %. Die Versorgung mit sauberem und bezahlbarem Trinkwasser war in vielen Gegenden nicht mehr sichergestellt. Es fehlte den privaten Wasserversorgern schlicht an einer erkennbaren Langzeitstrategie, Rendite war wichtiger als eine nachhaltige Planung. Als Reaktion darauf ging die Wasserversorgung vielerorts wieder zurück in die kommunale Hand.
Rekommunalisierung der Wasserwirtschaft
In Deutschland ist die Wasser- und Abwasserversorgung überwiegend in öffentlicher Hand. Der Wasserpreis und die Qualitätsstandards werden größtenteils von Städten und Kommunen festgelegt. Trotzdem wächst der Anteil von privaten Beteiligungen stetig, vor allem in größeren Städten werden die Leistungen oftmals ausgelagert. Eine Reihe von Kommunen ist diesen Weg in Form von Cross-Border-Leasing bereits vor Jahren gegangen – prominentestes Beispiel ist Berlin. Hier wurden Anlagen an US-Investoren vermietet.
Nach der Wiedervereinigung war die Spreemetropole vor gewaltige finanzielle Herausforderungen gestellt, die durch Privatisierungen kommunaler Leistungen gelöst werden sollten. Neben städtischen Energieversorgern und der Berliner Wohnbaugesellschaft wurden auch die Wasserbetriebe von der Privatisierungswelle erfasst. Um das Leitungsnetz vernünftig zu warten und zu reparieren, fehlten die finanziellen Ressourcen. Die Stadt erhoffte sich von der Privatisierung neben dem Schuldenabbau einen Ausbau der städtischen Wasserversorgung.
Wasser als Spekulationsobjekt internationaler Konzerne
Sollten die Wasserverbrauchs- und Einwohnerwachstumsprognosen allerdings nicht eintreten und der Gewinn für die privaten Investoren damit geringer ausfallen als angenommen, verpflichtete sich die Stadt, den privaten Unternehmen Entschädigung zu zahlen. Mit dieser Gewinngarantie sicherten sich die Unternehmer vertraglich ab – und diktierten der Stadt Berlin den Wasserpreis, der kontinuierlich anstieg. Für den Investor ließen sich mit dem Spekulationsobjekt Wasser Milliarden verdienen. Nach langen Verhandlungen kaufte die Stadt Berlin die Wasserbetriebe teuer und mit riesigem Verlust zurück.
Dass in Deutschland rund um die Uhr sauberes und bezahlbares Trinkwasser aus dem Hahn kommt und eine funktionierende Abwasserentsorgung vorhanden ist, ist nicht selbstverständlich. Schon in einigen europäischen Staaten ist das Wasser aus dem Hahn teilweise nicht genießbar, in weiten Teilen der Welt ist die Situation aber noch deutlich dramatischer: Laut Unicef haben 2,2 von etwa 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser – obwohl der Zugang zu sauberem Trinkwasser seit 2010 von den Vereinten Nationen als Menschenrecht anerkannt wurde.
Abpumpen bis die Brunnen leer sind
Die lukrativen Gewinne, die die Versorgung mit Wasser bietet, haben internationale Großkonzerne längst erkannt und für sich genutzt: Sie kaufen staatlichen Wasserbehörden die Wasserrechte für geringe Gebühren ab und pumpen Wasser direkt aus dem Grundwasser ab. Dieses Wasser wird anschließend gereinigt und verkauft. Die Folge für die dortige Bevölkerung: Der Grundwasserspiegel sinkt jährlich konstant, die Flüsse versiegen und die Brunnen sind plötzlich trocken. Die Ressource Wasser ist mittlerweile weltweit zum Handel- und Wirtschaftsgut geworden, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.
Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass der Verkauf von kommunal oder staatlich geführter Wasserbetriebe an private Unternehmen zu massiven Problemen führen kann – bis hin zur Monopolstellung eines privaten Wasserversorgers. Durch das Monopol entsteht eine enorme Machtposition gegenüber Gemeinden und Verbrauchern, mit unabsehbaren Folgen auch für die Haustechnikindustrie und das Handwerk. Neben der Durchsetzung höherer Wasserpreise können private Großkonzerne etwa auch die nötige Infrastruktur in eigenen Produktionsstätten oder von Subunternehmern herstellen und durch eigene Dienstleister statt dem Handwerksbetrieb vor Ort installieren und warten lassen.
Falls sie überhaupt noch gewartet werden, wie das Beispiel Großbritannien zeigt: Dort war das Leitungsnetz nach der Privatisierung so marode, dass nicht nur ein Teil des Trinkwassers durch Leckagen im Rohrsystem ungenutzt verloren ging, sondern auch Schmutz- und Schadstoffe ungehindert in das Trinkwasser einsickern konnten. Bürgern wurde geraten, Leitungswasser vor dem Verzehr aus dem Hahn erst mehrere Minuten laufen zu lassen, um die Schadstoffe herauszuschwemmen – und das, obwohl sauberes Wasser unser wichtigstes und wertvollstes Nahrungsmittel ist.